Weniger ist mehr: Mercedes 280SE 4.5 (W108)

Die 71er Oberklasse-Limousine macht den Abgang

Weniger ist mehr: Mercedes 280SE 4.5 (W108): Die 71er Oberklasse-Limousine macht den Abgang
Erstellt am 11. Mai 2024

Manchmal braucht ein Auto gar nicht viel, um aus der Masse der gegenwärtigen Konformität des Automobildesigns herauszuragen. So begeistert Marvin Schulzes Mercedes 280SE 4.5, der 1971 als Exportmodell für Nordamerika gefertigt worden ist, mit der von Mercedes-Meister-Designer Paul Bracq erdachten grandiose Linienführung. Damit stimmt man sofort im Blickpunkt und deshalb gibt es an der Exterieur-Gestaltung auch nichts zu verbessern, mein Marvin. Gleichwohl lässt sich seiner Meinung nach die Sehenswürdigkeit des W108 perspektivisch mittels Luftfahrwerk heben.

Ein Stern ist dem Untergang geweiht

Wer wollte zu einem Mercedes-Benz Klassiker nicht mein sagen? Marvin kann’s. Der MIB aus dem Ruhrgebiet vermag aus ganzem Fahrerherzen ja zu altem Sternenglanz, der bei richtiger Pflege nie verblasst. Aber nicht nur die automobilen Sternstunden vergangener Jahrzehnte übt eine besondere Strahlkraft auf ihn aus. Als Auto-Enthusiast und Tuning-Fan zieht ihn auch der Rausch der Tiefe in den Bann. Das eine wie das andere kann man freilich kombinieren - und also ist sein 1969er Mercedes 280 SE mit einem Airride zur nahezu totalen Erniedrigung der altehrwürdigen Oberklasse-Limousine ausgestattet.

W108 mit Wow-Effekt

Je weniger Bodenfreiheit – umso effektvoller ist für gewöhnlich die Wirkung auf den staunenden Betrachter. So setzt auch Mercedes-Fan Marcel seinen W108 mittels Eigenbau-Luftfahrwerk atemberaubend in Szene.

2020 erwarb Marvin den W108. „Beim Kauf lief der Motor nicht“, erzählt Marvin „und viele Dinge an dem Auto waren verpfuscht. Ich studierte die D-Jetronic (Anmk. der Redaktion: Jetronic ist ein von Bosch entwickeltes Saugrohreinspritzsystem) und besorgte mir die passenden Ersatzteile. Mit viel Mühe und ganz viel Liebe habe ich den Achtzylinder wieder perfekt zum Laufen bekommen“, berichtet der 31-Jährige. Zum Glück erwies sich der Motor als einzige Baustelle Sorgenkind-Potential. Alles andere an dem W108, was gerichtet werden musste, war für Marvin als gelernter Kfz-Mechaniker ein Klacks.

Bock auf Benz und Lust auf low.

Tief, stolz und sportiv steht der W108 da. Das sieht schon auf eine gewisse Art erhaben aus - dabei ist der Mercedes 280 SE gar nicht erheblich verändert. Als Extras für den tief beeindruckenden Look sind ja nur das TA Technix-Arride und die sonderangefertigten dreiteiligen Räder an dem Mercedes drin bzw. dran. Die Felgen sind übrigens m Format 8 x 17 VA und 9 x 17 HA montiert und werden an dem W108 mit Hankook S1 Evo der Dimension 195/45 bzw 205/45 gefahren.

Tiefer Traum

Wie man weiß, hat das Thema Luftfahrwerk das Zeug zum Spaltpilz. Die einen lieben es. Die anderen begegnen ihm mit tiefer Verachtung. Und nicht wenige, die für Mercedes-Klassiker schwärmen, bekommen beim Anblick eines mit Luftfahrwerk platt gemachten Mercedes-Oldtimers Schnappatmung und einen Fremdschäm-Anfall. Dass ein Klassiker von Mercedes-Benz so tief sinken kann, mögen viele halt nicht gern sehen.

Einerseits. Andererseits: Prächtige Felgen in Verbindung mit einer maximalen Tieferlegung kehren für viele Autofreunde auch bei ehrwürdigen Klassikern die schönen Seiten hervor. Für den maximalen Aufmerksamkeitswert muss an der Karosserie dann gar nichts mehr verändert werden. Und weil ein Rückbau des Fahrwerks ja relativ problemlos möglich ist, befindet sich ein per Airride versenkter Klassiker lediglich vorübergehend auf dem Tiefpunkt seines Daseins.

Im Rückspiegel: Mercedes-Benz Baureihe W108

Die neue Oberklasse-Modellgeneration mit den Typen 250 S, 250 SE und 300 SE wird im August 1965 präsentiert. Sie treten die Nachfolge der Heckflossen-Typen 220 Sb, 220 SEb und 300 SE an. Allen drei Modellen gemeinsam ist eine von Paul Bracq gezeichnete Karosserie, deren klare Linienführung auf modisches Beiwerk verzichtet und die mit ihrer zurückhaltenden Eleganz auch heute noch zeitlos wirkt. Hinsichtlich ihres technischen Konzepts entsprechen die neuen Typen weitgehend ihren Vorgängermodellen. Neu sind außer der Karosserie die beiden 2,5-Liter-Motoren, die man aus den entsprechenden 2,2-Liter-Aggregaten durch Aufbohren und Vergrößerung des Hubs entwickelt hat.

Die Produktion der Typen 250 SE und 300 SE endet mit Beginn des Jahres 1968; als Nachfolger werden im Januar die Typen 280 S und 280 SE vorgestellt, die sich nur in der Motorisierung und in Ausstattungsdetails von ihren Vorgängern unterscheiden. Der neu entwickelte 2,8-Liter-Sechsylindermotor leistet in der Vergaserversion 140 Pferdestärken und mit Benzineinspritzung 160 PS. Als leistungsgesteigerte Version des Einspritzmotors mit 2.996-ccm-Hubraum im 300 SE leistet er gar 170 PS. Der 280 SE 4,5 wie Marcin ihn chauffiert, war ein Exportmodell für Nordamerika, das zwischen April 1971 und November 1972 gefertigt worden ist.Der Achtzylinder-Motor mit 4.520 ccm leistete 198 PS bei 4.500 U/min.

Mitunter werden die Modelle der Baureihe W108 mit den Fahrzeugen der Baureihe W109 verwechselt. Zu der Baureihe W108 zählen alle Modelle mit herkömmlicher Stahlfederung, die luftgefederten Modelle fallen unter die Bezeichnung W109. Der markanteste Unterschied zwischen beiden Baureihen ist jedoch eher ihre Größe: die Serie 109 besteht ausschließlich aus Langmodellen (SEL), während die Serie 108, bis auf zwei Ausnahmen (davon eine amerikanische Variante), aus den kürzeren S- und SE-Limousinen bestand. Im November 1972 endet die Produktion der beliebten W108/W109-Baureihe. In ihre Fußstapfen tritt Baureihe W116, mit der auch die Bezeichnung S-Klasse Einzug ins Portfolio hielt.

Der Mercedes-Benz 280 SE 4.5 W108: Hoch soll er leben, aber tief muss er liegen

Der nunmehr 53 Jahre alte Benz Marvins Augenstern und sein Autoglück. Dass er immense Hochgefühle für seine ab und zu heruntergekommen wirkende Mercedes-Limousine empfindet, kam, wie bereits erwähnt, ohne weitere Veränderungen an Exterieur und Interieur zustande. Die Export-Ausstattung mit den sehr chic und besonders ausschauenden gelben Doppelscheinwerfern und den US-Positionsleuchten ist ihm exotischer Status genug.

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Der Innenraum ist so, wie er immer war. Hier steigt man gerne ein. Hat man erst einmal in dem Mercedes-Benz Platz genommen, dann fühlt man sofort die einmalige Mercedes-Herrlichkeit. Man sieht, man spürt, man atmet Flair, Niveau und Qualität, wie man all dies nur in einem klassischen Automobil von Mercedes-Benz und nirgendwo sonst findet. Kann man sich das schöner denken? Das hebt das Wohlgefühl - auch wenn der 280 SE dann und wann in der Versenkung verschwindet.

Bildergalerie: Mercedes-Benz 280 SE 4.5 Baujahr 1971 Virtuelles Tuning Mercedes 300 SEL Umbau - zu extrem, um real zu sein Überholprestige ab Werk. Das zeichnet viele Mercedes-Benz Fahrzeuge aus. So auch den Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 W109. Der Oberklasse-Benz, der von einem 250 PS


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