Ausblick Antriebe: Das treibt man beim Daimler voran

Interview Ola Källenius: „In jeder Baureihe mindestens eine elektrifizierte Alternative“

Ausblick Antriebe: Das treibt man beim Daimler voran: Interview Ola Källenius: „In jeder Baureihe mindestens eine elektrifizierte Alternative“
Erstellt am 10. Oktober 2017

Auf dem Weg zum lokal emissionsfreien Fahren verfolgt Daimler weiterhin eine dreispurige Antriebsstrategie mit Elektrofahrzeugen, Hybridmodellen und Verbrennungsmotoren. Bei der Elektrifizierung verfolgt das Unternehmen mit der neuen Technologie- und Produktmarke EQ einen ganzheitlichen Ansatz: Neben einer modular aufgebauten Fahrzeugfamilie wird ein umfangreiches Ökosystem entwickelt, das unter anderem die nötige Ladeinfrastruktur umfasst. Beim Daimler stehen in Sachen emissionsfreri Mobilität all Ampeln auf grün. Allein in den Ausbau des EQ‑Fahrzeugportfolios wird der Erfinder des Automobils mehr als zehn Milliarden Euro investieren. Daimler vertraut bei der Mobilität der Zukunft aber weiterhin auf eine Koexistenz unterschiedlicher Technologien und stellt sich mit Blick auf sein umfangreiches Fahrzeugportfolio und die Mobilitätsanforderungen der Kunden auf drei Säulen „hocheffiziente High-Tech-Verbrennungsmotoren“, „konsequente Hybridisierung“ „Elektroantriebe mit Batterie oder Brennstoffzelle“ breit auf. Wie sehr der Stern unter Strom steht und wie es mit den Verbrennern im Hause Daimler weitergeht, erläutert Ola Källenius, der seit seit Jahresanfang die Konzernforschung der Daimler AG und die Entwicklung von Mercedes-Benz Cars verantwortet, im Interview.

Herr Källenius, mit den elektrisch angetriebenen Studien Mercedes-Benz EQA und smart vision EQ fortwo setzt Mercedes-Benz Cars klare Zeichen der reinen Elektromobilität. Ist das der neue Königsweg?

Källenius: Ein essenzieller Teil des Weges, aber nicht der einzige. Vergessen wir bitte nicht unsere Plug-in-Hybride: Sowohl der neue S 560 e, der GLC F-CELL mit Brennstoffzellenantrieb und die Performance-Hybrid-Studie Mercedes-AMG Project ONE nutzen Strom aus der Steckdose, aber eben nicht ausschließlich. Wir nennen das EQ Power. Wir bauen auch künftig unser Plug-in-Hybridportfolio weiter konsequent aus. Das ist aber nicht alles: Mit der Einführung des 48-Volt-Bordnetzes in Kombination mit Startergeneratoren führen wir elektrische Antriebskomponenten jetzt auf breiter Front ein und steigern damit die Effizienz unserer Verbrennungsmotoren immer weiter.

Es bleibt also dabei, dass die Antriebsstrategie auf mehreren Säulen steht?
Källenius: Ja, auf dem Weg zum lokal emissionsfreien Fahren verfolgen wir weiterhin eine dreispurige Antriebsstrategie: Wir setzen auf hocheffiziente High-Tech-Verbrennungsmotoren, auf konsequente Hybridisierung und auf Elektroantriebe mit Batterie oder Brennstoffzelle. Wir stellen uns mit Blick auf unser umfangreiches Fahrzeugportfolio und die Mobilitätsanforderungen unserer Kunden ganz bewusst breit auf.

Die Zeit der Verbrenner ist also nicht vorbei?
Källenius: Ich bin ganz sicher, dass es bei den Verbrennern noch lange weiter geht. Wir sehen im Jahr 2025 einen Absatzanteil von bis zu 25 Prozent bei rein batterieelektrischen Autos. Das heißt automatisch, dass mindestens 75 Prozent weiterhin einen Verbrennungsmotor an Bord haben werden, der dann natürlich zunehmend elektrifiziert ist.

Von der Elektrifizierung profitieren also auch die Verbrenner?
Källenius: Genau, das beste Beispiel ist unsere neue S-Klasse. Dort haben wir gerade erst einen riemenlosen Reihensechszylinder mit integriertem Startergenerator eingeführt. Damit haben wir einen gewaltigen Sprung in Sachen Fahrbarkeit, Performance und Verbrauch gemacht. Übrigens sind wir der einzige Autohersteller, der einen solchen integrierten Startergenerator mit 48-Volt-Technik in Kombination mit einem riemenlosen Motor heute in Serie anbietet. Schrittweise führen wir die 48-Volt-Technologie im gesamten Portfolio ein – als nächstes noch in diesem Jahr im Vierzylinder mit unserer E-Klasse.

Ist der Diesel dabei ein Auslaufmodell?
Källenius: Definitiv nein, wir brauchen den Diesel weiterhin und werden auch in Zukunft die Weiterentwicklung vorantreiben. Er bietet Vorteile bei den CO2-Emissionen und ist im Güterverkehr sowie in zahlreichen Märkten, allen voran in Europa, aus gutem Grund weiterhin relevant. Mit unserer neu entwickelten Premium-Dieselfamilie haben wir bewiesen, dass der Diesel sauber sein kann. Im OM 654 beispielsweise reduzieren wir die NOX-Werte im realen Fahrbetrieb um bis zu 80 Prozent.

smart plant bis 2020 die Umstellung seines Modellprogramms in Europa und den USA komplett auf Elektroantrieb. Wann folgen die entsprechenden batterieelektrischen Modelle von Mercedes-Benz?
Källenius: Hier stehen jetzt alle Ampeln auf grün. Mit unserer neuen Produkt- und Technologiemarke EQ starten wir nicht nur eine rein elektrische Modelloffensive, sondern etablieren auch schrittweise ein elektromobiles Ökosystem, das unter anderem die nötige Ladeinfrastruktur umfasst. Allein in den Ausbau unseres EQ-Fahrzeugportfolios investieren wir mehr als zehn Milliarden Euro.

Und wann geht es konkret mit dem ersten EQ-Modell los?
Källenius: 2018 feiert unser erstes EQ SUV Weltpremiere, den wir EQC nennen werden. Er kommt im ersten Halbjahr 2019 zu den Kunden.

Der EQC bildet aber nur den Auftakt der Elektrooffensive, oder?

Källenius: Ja, bis 2022 werden wir insgesamt mehr als zehn rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf den Markt bringen. Darüber hinaus werden wir das gesamte Mercedes-Benz Portfolio elektrifizieren und unseren Kunden so in jeder Mercedes-Benz Baureihe mindestens eine elektrifizierte Alternative anbieten – vom Kompaktwagen bis zum großen SUV. Insgesamt über 50 elektrische Fahrzeugvarianten. Wir bieten dem Kunden die Wahl – je nach individueller Präferenz und Nutzungsverhalten.

Wie passt zu dieser Strategie die Brennstoffzelle?
Källenius: Die Brennstoffzelle ist und bleibt eine wichtige Technologie auf unserem Weg zu null Emissionen. Der GLC F-CELL ist dabei fester Teil unserer Elektrooffensive. Mit der Weltpremiere der Vorserienfahrzeuge haben wir gerade erst einen wichtigen Schritt gemacht. Die Markteinführung ist für nächstes Jahr geplant. Die hohe Reichweite dank der Kombination von Brennstoffzelle und Batterie, kurze Betankungszeiten und die Alltagstauglichkeit eines SUVs werden ihn zum perfekten Begleiter machen. Ein echter Mercedes – rein elektrisch!

Auf welcher Plattform werden die EQ-Fahrzeuge basieren?
Källenius: Unser modularer Systembaukasten ist die Basis für unsere Elektrifizierungsstrategie. So schaffen wir für unsere EQ-Fahrzeugfamilie eine modellübergreifende Elektrofahrzeug-Architektur, die in jeder Hinsicht skalierbar und flexibel einsetzbar ist. Übrigens gilt das nicht nur für die Pkw-Modelle: Bei der Elektrifizierung von Sprinter und Vito greifen die Kollegen von Mercedes-Benz Vans auf das modulare Baukastensystem von Mercedes-Benz Cars zurück.

Was tut sich bei den Batterien?
Källenius: Hier stehen die Zeichen auf Wachstum. Insgesamt investiert Daimler mehr als eine Milliarde Euro in den Aufbau eines globalen Batterie-Produktionsverbundes. Dazu gehört mit einer Investition von rund 500 Millionen Euro der Bau einer zweiten Fabrik für Batterien bei unserer Tochter Accumotive in Kamenz (Sachsen). Hinzu kommen weitere Standorte in Stuttgart-Untertürkheim, Peking und Alabama. Insgesamt streben wir eine Produktionskapazität von einer Million Batterien im Jahr an.

Und technologisch?
Källenius: Zunächst einmal wird es bei der Lithium-Ionen-Technologie bleiben. Da wird es in den nächsten Jahren weitere evolutionäre Performance-Steigerungen geben, aber keine Revolution. Wenn man aber 10, 20 oder gar 30 Prozent Steigerung der Leistungsfähigkeit schaffen könnte, wäre das schon erheblich. Mit Einführung der Post-Lithium-Ionen-Technologie, beispielsweise Lithium-Schwefel- oder Festkörper-Akkus sind noch einmal größere Sprünge möglich, aber aus heutiger Sicht nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre.

Wie sieht es mit Lademöglichkeiten aus, ohne entsprechende Infrastruktur wird die Elektromobilität den Durchbruch kaum schaffen …
Källenius: Keine Frage, intelligent-vernetzte Ladelösungen denken wir von Anfang an mit. Denn die Kundenakzeptanz ist eng mit der Verfügbarkeit einer entsprechenden Infrastruktur verknüpft. Wir wollen dem Kunden ein ganzheitliches Premiumangebot im Bereich der E-Mobilität machen. Ob Laden zu Hause, unterwegs, bei der Arbeit oder ultraschnell: Wir schauen uns alle Szenarien ganz genau an und stellen uns mit ausgewählten Partnerschaften und Kooperationen breit auf. So arbeiten wir gemeinsam mit anderen OEMs zum Beispiel in einem Joint Venture an der Errichtung des leistungsstärksten Ladenetzes an wichtigen europäischen Verkehrsachsen.

Autor: Mathias Ebeling

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