Ganz neu ist der Trend nicht; doch in diesem Jahr wird er deutlicher als je zuvor. Für Vorkriegsmodelle und wirklich alte Klassiker interessieren sich immer weniger Autofans. Das ist nicht nur bei den großen Klassikveranstaltungen zu spüren, sondern insbesondere auch bei den internationalen Versteigerungen.
Die größten Autoversteigerungen finden traditionell Ende Januar jeden Jahres in Scottsdale / Arizona statt. In einer Woche wechseln hier mehr als 2.000 Fahrzeuge – insbesondere Klassiker – ihren Besitzer. Die meisten von ihnen bei Barrett-Jackson, wo man sich aktuell bereits mit Hochdruck auf den 2025er-Großevent vorbereitet, der vom 18. bis 26. Januar im Westworld Center stattfindet. Zu Eintrittspreisen zwischen 200 und 320 Dollar kann jeder auf das entsprechende Traumfahrzeug bieten. Auf Platz zwei der weltweit bedeutendsten Auktionen liegen die zahlreichen Veranstaltungen, die im Rahmen der Monterey Car Week in der vergangenen Woche rund um die Luxusevents von Pebble Beach stattfanden. Das Motto: Klasse statt Masse, wobei sich die wichtigsten Trends der Oldtimerszene nirgends besser als hier ablesen lassen.
Sportwagen bleiben beliebt
Ein Trend ist nach den großen Veranstaltungen von Goodings, Broad Arrow, Mecum, Bonhams oder RM Sotheby‘s deutlich denn je. Besonders begehrt sind Sportwagen, die immer jünger werden und bestenfalls nicht nur rar sind, sondern auch eine entsprechende (Renn-)Historie in sich tragen. Während in Scottsdale Dosenbier und Chickenwings gereicht werden, um die Händler und professionellen Bieter zwischen den zahllosen Zuschlägen bei Laune zu halten, geht es in Pebble Beach elitärer zu. Doch wenn der Auktionator auf dem Podium mit Millionenwerten für Mercedes 300 SL Flügeltürer, Alfa Romeo 1750 6C oder Ferrari 275 jongliert, wird erst im Nachgang bei Schampus und Häppchen gefeiert.
Goodings, Broad Arrow, Mecum, Bonhams & RM Sotheby‘s machen gute Geschäfte
Zunächst einmal läuft es beim Geschäft mit den Versteigerungen wieder solide, nachdem der Markt in vielen Bereichen zwischendurch eine nennenswerte Abkühlung erfahren hatte. RM Sotheby‘s setzte auf der Monterey Car Week über 161 Millionen US-Dollar um. Über 87 Prozent aller Modelle wurden versteigert; einschließlich 33 über einer Million und immerhin fünf Fahrzeugen mit einem Kaufpreis von mehr als fünf Millionen US-Dollar. Bei Konkurrent Bonhams wechselten Fahrzeuge und Devotionalien im Wert von über 105 Millionen US-Dollar die Garage und hier wurden über 80 Prozent der Modelle versteigert. Broad Arrow, immer stärker im Markt vertreten, verkaufte ebenfalls mehr als 85 Prozent der angebotenen Fahrzeuge – in einem Gesamtwert von 71,5 Millionen US-Dollar.
Ferraris sind heiß begehrt
Den höchsten Erlös erzielte in Monterey nicht überraschend ein Ferrari 250 GT SWB California Spider aus dem Jahre 1960, der bei RM für mehr als 17 Millionen US-Dollar den Eigentümer wechselte. Auch auf den Plätzen zwei und drei lagen zwei Ferrari-Modelle (Ferrari 410 SS knapp 13 Millionen und 250 GT LWB California Spider für 5,6 Millionen). Bei Bonhams sicherte sich den Verkaufsrekord der 1938er Alfa Romeo 8C 2900 B für über 14 Millionen US-Dollar. „Mehr als ein Dutzend Exemplare brachen Weltrekorde, darunter der Ferrari F50, der für 5,5 Millionen Dollar verkauft wurde, um nur einige zu nennen“, blickt Gord Duff, Leiter der Auktionen von RM Sotheby's zufrieden zurück, „die Energie im Saal am Samstag war elektrisierend und es war erfreulich zu sehen, dass der erste California Spider für über 17 Millionen Dollar ein neues Zuhause fand.“ Auffällig: unter den zehn teuersten Fahrzeugen bei RM befanden sich fünf Ferraris, ausschließlich Sportwagen und nur Klassiker aus der Vorkriegszeit. Bei Wettbewerber Bonhams sah es abgesehen vom 1938er-Rekordauto kaum anders aus.
Sportwagen ab den 1970er Jahren hoch im Kurs
Damit setzt sich ein Trend vor, der seit Jahren immer auffälliger wird und nicht nur bei den absoluten Topverkäufen, sondern auch den Ebenen darunter zu erkennen ist. Jüngere Sportwagen – zumeist ab den 1970er Jahren - sind begehrter denn je und bringen mittlerweile Verkaufserlöse, die vor Jahren kaum denkbar waren. So wechselte ein Porsche 911 GT2 Clubsport für zwei Millionen und ein 1989er Lamborghini LM002 für mehr als 700.000 US-Dollar den Besitzer. Sportwagen mit Rennhistorie oder Kleinstserienfahrzeuge erzielen mittlerweile weit höhere Erlöse als viele Vorkriegsmodelle, während sich insbesondere große Limousinen und Phaeton-Reisewagen schwertun.
Käufer werden jünger und ersteigern vom Telefon aus
Ganz anders die Sportskanonen. So wurde ebenfalls bei Bonhams ein Porsche 935 von 1976 für knapp 4,3 Millionen versteigert und der Singer Porsche Dynamics and Lightweight Study erzielte einen Erlös von mehr als drei Millionen US-Dollar. Die Käufer werden internationaler, jünger und kommen oftmals gar nicht mehr selbst zu Versteigerungen nach Pebble Beach, an den Comer See, nach Paris oder Dubai. Geboten und ersteigert wird per Telefonat – oftmals sogar online. Das jüngere Klientel ersteigert dabei in erster das, was das Potenzial zur Wertsteigerung hat und bestenfalls ein Fahrzeug ist, das man gegebenenfalls noch aus der eigenen Jugend kennt. So erzielen Modelle wie der Ferrari 333 SP Evoluzione von 1995 mit 5,1 oder ein 1968 Lamborghini Miura P400 mit mehr als 2,3 Millionen US-Dollar Spitzenwerte, während zunehmend ehemals begehrte Klassiker aus den 1950er und 1960er Jahren in ihren Werten einfrieren.
Was passiert mit den Vorkriegsmodellen?
Ganz abschreiben sollte man die Vorkriegsmodelle jedoch nicht, denn besonders exklusive Modelle wie der Duisenberg Model Convertible Coupé von 1934 für mehr als 3,7, ein Delage D8 S Roadster von 1932 für 3,3 Millionen oder ein Mercedes 540 K Cabriolet A Sindelfingen für 1,6 Millionen US-Dollar zeigen, das spektakuläre Topmodelle nach wie vor im Rennen sind; auch wenn ihre Luft zum Atmen zunehmend von den (Super-)Sportwagen der Neuzeit weggeatmet wird. McLaren P1, Porsche Carrera GT oder Bugatti EB110 sind begehrter denn je. So erzielt eine Rarität wie der Porsche 911 GT1 Rennversion bei Broad Arrow dann auch mehr als sieben Millionen US-Dollar.
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