Am 10. Dezember 1992 machte sich ein Mercedes-Fan in der Stuttgarter Mercedes-Niederlassung ein großartiges Geschenk. Gegen Zahlung von exakt 60.135,00 Deutscher Mark erwarb er eine funkelnagelneue Oberklasse-Limousine der legendären Baureihe W124.
In einer Zeit, als ein Mercedes-Benz entweder silber oder schwarz war, bewieß der Neuwagenkäufer einen ganz besonderen Geschmack, in dem er die seltene Lackierung „Beryll Metallic“ orderte, deren helles Türkis an karibische Gewässer erinnert. Doch damit nicht genug: Anstatt sich für eine pflegeleichte schwarze Lederausstattung zu entscheiden, wählte er eine Polsterung im nicht minder seltenen Farbton „Dattel“ – fast karamellfarben und mehrere Nuancen dunkler als das bekannte „Taxi-Beige“.
Im Gegensatz zur extrovertierten Farbwahl steht die bodenständige Basismotorisierung des 200 E, dessen robuster Vierzylinder aus zwei Litern Hubraum immerhin 118 Pferdestärken schöpft.
Die Ausstattung ist nicht opulent, verfügt aber über alle Annehmlichkeiten für komfortables Reisen: ein Automatikgetriebe, das große Schiebedach um Licht und Sonne hereinzulassen und eine Anhängekupplung.
Der Wagen blieb lange im Schwabenland, zuletzt über 12 Jahre bei einer 70jährigen Dame, von welcher ihn der jetzige Besitzer im Sommer 2013 erwarb. „Eigentlich suchte ich nur einen alltagstauglichen Klassiker“, erzählt MIB Elmar Gehrke. Elmar Gehrke ist Mercedes-Fan und widmet sich der Marke mit großer Hingabe. Elmar besitzt nun neben dem W124 noch andere Sterne. So auch eine rubinrote S-Klasse der Baureihe W140 von 1998, eine von nur 50 weltweiten Exemplaren der „Final Edition.
„In die seltene Farbkombination habe ich mich sofort verliebt, denn ein solches Unikat gibt es kein zweites Mal“, gesteht der Dresdner. Die Substanz erschien auf den ersten Blick gut: Etwas Rost an den Kotflügeln und der Heckklappe, eine schlecht nachlackierte Motorhaube, kleinere Parkrempler und diverse Lackkratzer ringsum. Nichts Ungewöhnliches für ein 25 Jahre altes Auto. Erst auf der Bühne offenbarte sich, dass der Zahn der Zeit doch mehr an der Substanz genagt hatte. So begann eine umfangreiche technische Überholung, die u.a. eine komplette Fahrwerksrevision sowie den Tausch des jaulenden Hinterachsdifferentials samt Antriebswellen umfasste. Dem folgte die Entrostungskur, die neben dem Ersetzen der beiden vorderen Kotflügel auch diverse Schweißarbeiten erforderlich machte, u.a. an der typischen Schwachstelle Wagenheberaufnahme.
Um dem Rost zukünftig Einhalt zu gebieten wurden alle Hohlräume großzügig mit 11 Kilo Konservierungswachs geflutet. Für das strahlende Finish sorgen nicht nur eine Komplettlackierung, sondern auch zahlreiche Neuteile wie Scheinwerfer, Blinker, Rückleuchten und Türgummis. „Im Gegensatz dazu gab es im Innenraum nicht viel zu tun“, erläutert Elmar Gehrke. Und tatsächlich, die cognacfarbigen Polster präsentieren sich im tadellosen Jahreswagen-Zustand.
Dazu mögen die Lammfellbezüge der Vorbesitzerin ihren Teil beigetragen haben. Und auch jetzt wird das Gestühl gut geschützt, allerdings durch maßgeschneiderte Alcantara-Schonbezüge. Dazu passen auch das aufgearbeitete Zebrano-Holz der Mittelkonsole und die nachgerüstete Mittelarmlehne mit Staufach. Die gab es übrigens nur für USA-Modell und fand für knapp 300 Dollar den Weg zurück über den großen Teich.
Dezente Modifikationen zeugen davon, dass Elmar den W124 nach seinem Geschmack individualisiert hat. Etwa die in Wagenfarbe lackierten Stoßstangen und Saccobretter, diverse Chromteile Innen und Außen oder die erweiterte Zebrano-Holzausstattung
Serienmäßig kommt allerdings das komplett überholte Fahrwerk mit den klassischen Achtloch-Felgen daher. Für den Musikgenuss sorgen Rainbow-Lautsprecher und ein Parrot Asteriod Internetradio, welches sich für ein „neumodisches“ Gerät erstaunlich gut in das technokratische 80er-Jahre-Design des W124 einfügt. Das große Garmin-Navigationssystem auf dem Armaturenbrett erinnert mit seinem 7-Zoll Display an die Bildschirme aktueller Mercedes-Modelle und wartet sogar mit einer drahtlosen Rückfahrkamera auf.
Mehr Komfort bringen weitere Extra-Nachrüstungen: Neben der Funkfernbedienung für die Zentralverriegelung und einem programmierbaren Scheibenwischerrelais auch ein Tempomat.
Dass aus dem geplanten Winterauto eine Komplettrestaurierung wurde, bereut der 38jährige Pilot des türkisen Sternenwagens nicht. Auch wenn es über ein Jahr an Zeit und eine ganze Stange Geld kostete.
Welche Summe genau in dieses Projekt floss, möchte er nicht verraten. Nur so viel: Für die Gesamtkosten (allein mehr als 200 Werkstattstunden stecken in der technischen Überholung) hätte man auch eine nagelneue E-Klasse bekommen.
Fahrzeugtyp: Mercedes-Benz 200 E (W124)
Baujahr: 1992
Motor: Vierzylinder-Motor, Hubraum: 1.996 ccm, max. Drehmoment: 172 Newtonmeter bei 3500 U/min, Leistung: 118 PS
Getriebe: Automatik, 4-Gang
Bremsen: Serie
Räder: original Mercedes 8-Loch Felgen 6,5x15 ET44
Reifen: Conti EcoContact 5 195/65 R15 91H
Fahrwerk: Serie
Karosserie: Stoßstangen & Saccobretter in Wagenfarbe, weiße Blinker, Rückleuchten rauchgrau/ rot, Türgriffe und Kofferraumleiste verchromt
Innenraum: maßgeschneiderte Alcantara-Schonbezüge; erweitertes Zebranoholz-Paket: Schalthebel, Ascher in Fondtüren, Armaturenbrett, Schiebedeckelbox; Chrom-Accessoires: Schalterrahmen, Schaltkulisse, Lüftungsdüsen, Tachorahmen, Türpins (vom W116), Einstiegsleisten; Lederlenkrad mit Ziernähten; belederte Telefonkonsole; ausfahrbarer Cuphalter vom W211
ICE: Parrot-Asteriod Classic Internetradio mit Bluetooth Freisprechanlage, Rainbow-Lautsprecher, Garmin 7” Navigationssystem mit drahtloser Rückfahrkamera
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