Kaum einer der deutschen Autohersteller ist derzeit derart unter Druck wie Daimler. Der strahlende Stern hat nicht nur mit einem mikroskopisch kleinen Börsenkurs zu kämpfen, sondern muss viele interne Probleme lösen. Auch wenn die Aufgaben gewaltig scheinen – das Comeback dürfte schneller kommen, als manche erwarten.
Als ob es nicht vor der Corona-Krise schon schwierig genug gewesen wäre, hat diese den deutschen Premiumherstellern nochmals mächtig zugesetzt. Allen voran Daimler brach der Aktienkurs zwischenzeitlich auf knapp über 20 Euro ein; da musste Konzernlenker Ola Källenius schon beschwichtend verlautbaren, dass man auf Staatshilfen verzichten könne und die zugegeben kleine Dividende von 0,90 Euro pro Aktie bei der verschobenen Hauptversammlung nicht gefährdet sei. Die Schwaben haben ein gigantisches Produktportfolio und stehen auf den ersten Blick prächtig da. Die Fehler der vergangenen Jahre sind nicht derart offensichtlich wie jetzt viele monieren und trotzdem steht Daimler schlechter da als mancher Konkurrent. Audi gehört zum mächtigen Markenkonglomerat des Volkswagen Konzerns und BMW befindet sich zu großen Teilen in Händen der Familien Klatten und Quandt. Finanzielle Hektik ist da ob der mächtigen Finanzkraft nicht zu befürchten.
Bei Daimler hingegen fürchten viele Interne und Analysten, dass sich chinesische Marken angesichts des günstigen Aktienkurses noch weiter in die Sternenmarke einkaufen und die Sperrminorität wackeln könnten. Geely besitzt derzeit knapp zehn Prozent am Daimler-Konzern. BAIC ist aktuell mit fünf Prozent an den Stuttgartern beteiligt und macht keinen Hehl daraus, seinen Anteil nennenswert vergrößern zu wollen. Weitere größere Aktienpakete der mehr als einer Milliarde Firmenanteile gehören dem Staat Kuwait (6,8 Prozent) und Renault-Nissan (3,1 Prozent). Daimler hat sich in den vergangenen Jahren ebenso wie die anderen Premiummarken stark Richtung China orientiert und wurde von dem hohen Einstieg der Geely-Firma Tenaciou3 Prospect Investment Limited mit 9,69 Prozent nur in der Höhe überrascht.
Die großen Erträge des Geschäfts kommen ohnehin aus Asien – speziell China – und den USA. In Europa ist die Lage für Daimler ebenso wie für die Konkurrenz schwierig und niemand weiß, wie groß die Auswirkungen der Corona Krise mit Werksschließungen und ohne Kundennachfrage sein werden. Das größte Problem von Daimler vor Corona waren jedoch die Kostenstrukturen, denn die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs dauert beim Stern zu lange und ist im Vergleich zur internationalen Konkurrenz zu teuer. Dass Daimler später als andere sein Elektropferd sattelte, ist dabei nicht das größte Problem. Wie BMW und Audi auch verzettelte man sich in Stuttgart noch mehr in Derivaten für Lücken, die keine echten waren – hierbei waren die Erträge zu gering, denn beispielsweise acht Modelle auf der Frontantriebsplattform sind doch etwas zu viele des guten und die Überschneidung der Kundengruppen ist nach Aussagen einiger Händler nicht nur bei A-Klasse, A-Klasse Limousine, CLA, CLA Shooting Brake groß, sondern hier wird bereits mächtig an der größeren C-Klasse gekratzt, die mehr Erträge verspricht, von den Modellen der eigenen Frontantriebsplattform technisch jedoch überholt wurde. Ähnlich sieht es auch bei Fahrzeugen wie GLA, GLB und GLC / GLC Coupé aus, die sich oftmals nicht so groß voneinander unterscheiden, wie Produktmanagement und Marketing es gerne hätten.
Doch es scheint langsam wieder nach oben zu gehen. Der Aktienkurs dürfte sich mittel- bis langfristig kaum auf diesem niedrigen Niveau halten und dann arbeitet Ola Källenius mit Entwicklungsvorstand Markus Schäfer mit Hochdruck daran, Prozesse zu beschleunigen und Kosten zu reduzieren. Der Vorstand soll im Sommer einige neuen Gesichter haben und Daimler täte gut daran, mehr Internationalität in die erste Reihe zu bringen und branchenfremde Personen für neue Sichtweisen zu holen. Zeitgleich läuft bei Daimler ein großes Abfindungsprogramm. Ebenso wie nahezu in der gesamten Autoindustrie gibt es zu viele Mitarbeiter – speziell außertarifliche, die besonders teuer sind. Hier will sich Daimler um bis zu 10.000 oder gar 15.000 Kräfte verschlanken. Es gilt Kosten zu sparen, um für die milliardenschweren Investitionen – speziell in den Bereichen alternativer Antriebe und automatisiertem Fahren – gewappnet zu sein.
(Abb. zeigt Rendering des möglichen Aussehens der kommenden S-Klasse W223)
Modelle, die für die nächsten Jahre keine nennenswerten Renditen versprechen, werden gestrichen. So wird das Mercedes S-Klasse Cabrio keinen Nachfolger bekommen und auch das Ende des Pick Ups X-Klasse ist bereits besiegelt. Groß sind die Erwartungen an die neue S-Klasse, die mit Verspätung im Herbst ihre Marktpremiere feiert. Im Sommer 2021 kommt dann der sehnlichst erwartete Mercedes EQS, der mehr Glück haben soll als der Mercedes EQC, der mehr mit Lieferproblemen denn einer geringen Kundennachfrage zu kämpfen hat.
Nicht einfach dürfte es im Frühjahr 2021 für die neue Mercedes C-Klasse werden. Sie wurde ebenso wie die S-Klasse komplett neu entwickelt und soll in Sachen automatisiertem Fahren neue Maßstäbe in der Mittelklasse setzen. Doch sie bleibt in ihren Abmessungen nahe an Modellen wie dem CLA oder einer A-Klasse Limousine, die in China zudem noch mit langem Radstand zu bekommen ist. Hier dürften die Daimler-Entscheider für die nächste Fahrzeuggeneration ebenfalls ausdünnen. Auch weil ein Ende des SUV-Trends nicht abzusehen ist. Selbst wenn erste zarte Anzeichen existieren, dass man in bestimmten Klassen wieder Interesse an einer Limousine oder Coupélimousine hat, spielen die SUV auch bei Daimler in den nächsten Jahren die zentrale Rolle für das Geschäft.
So hofft man, dass nicht nur Mercedes GLA und GLB bei den Kunden einschlagen, sondern speziell auch die batterieelektrischen Versionen EQA und EQB, die sich optisch nicht grundlegend von den Verbrennern unterscheiden, jedoch die schwarze Scheinwerfermaske im Zorro-Lock behalten und mit einem LED-Band verbundene Rückleuchten bekommen. Boca Negra von Seat lässt grüßen. Bei den Sportwagen tat sich Daimler in den vergangenen Jahren schwer. Das elitäre Markenaushängeschild des SL wurde sukzessive heruntergewirtschaftet und der AMG GT schlug nicht derart ein, wie man es sich in Untertürkheim und Affalterbach gewünscht hätte, um den Porsche 911 unter Druck zu setzen. 2021 kommt ein neuer SL und der kann sich mit gelungenen Proportionen und dem überfälligen Stoffdach endlich wieder so richtig sehen lassen. Das macht den Abstand klein zum neuen AMG GT, der gemeinsam mit ihm im Doppelpack entwickelt wurde. Im Gegensatz zum 2+0-sitzigen Mercedes SL bleibt der AMG GT jedoch ein Doppelsitzer. Der Mercedes SL könnte in seiner später folgenden Basisvariante jedoch den gleichen Zweiliter-Benziner mit hoher Turboaufladung und 48-Volt-Bordnetz bekommen, der für den Mercedes AMG C 63 geplant ist. Gegen den laufen vorab bereits die potenziellen Interessenten Sturm. In dieser Liga mit zwei Litern und vier Brennkammern wird es schwer – auch weil das aktuelle Modell mit seinem bärenstarken V8-Triebwerk über ein Alleinstellungsmerkmal verfügt. Zukünftig gibt es für beide Modelle jedoch auch Allrad- und Hybridversionen. Elektrische Antriebe dürften mittelfristig ebenfalls folgen.
Und letztlich bekommt auch Smart eine neue Chance – wieder einmal. Sitz der neu gegründeten deutsch-chinesischen Marke wird China. Die neue Generation der elektrischen Smart-Modelle soll 2022 auf die internationalen Märkte kommen. Während Mercedes Design und Marken-DNA einbringt, wird die neue Smart-Generation von Geely entwickelt und später auch in China produziert. Fest steht bereits jetzt, dass es nicht bei einem zweisitzigen Kleinstwagen bleiben wird. Geplant sind mehrere – rein elektrische - Fahrzeuge bis hinauf ins B-Segment und hier steht erstmals wohl auch die Umsetzung des seit mehr als 15 Jahren immer wieder ins Gespräch gebrachten Smart-SUV an.
1 Kommentar
Pano
27. März 2020 14:57 (vor über 4 Jahren)
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