Die internationalen Automärkte leiden nach wie vor unter der anhaltenden Chipkrise und der Krieg in der Ukraine sorgt für anhaltende Probleme bei den Kabelsträngen. Das macht sich nicht nur auf den europäischen Automärkten bemerkbar, sondern beeinflusst auch die langfristigen Planungen speziell bei den Elektroautos – nicht nur in Deutschland.
Das Ziel der neu angetretenen Bundesregierung ist klar formuliert: bis zum Jahre 2030 sollen 15 Millionen Elektroautos auf dem wichtigsten europäischen Automarkt unterwegs sein. Doch derzeit sieht es so aus, als würde es schwerer als erwartet, diese Marke zu erreichen. Wenn man auf die aktuellen Neuzulassungen schaut, war der April war in Deutschland ein weiteres Mal kein guter Monat für die Autoindustrie. Knapp mehr als 180.000 neu zugelassene Fahrzeuge bedeuten ein Minus von 22 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahrsmonat. Nach den ersten vier Monaten des Jahres 2022 stehen somit gerade einmal 806.000 Neufahrzeuge und ein Rückgang von neun Prozent in den Büchern. Dämpfend wirkt sich dabei insbesondere der Mangel an Vorprodukten in der Produktion aus. Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 beträgt der Rückgang in den ersten vier Monaten sogar 32 Prozent. Dabei sanken die Elektro-Neuzulassungen im vergangenen Monat um 14 Prozent auf 43.900 Einheiten. Der Anteil von Elektro-Pkw an den gesamten Neuzulassungen lag somit bei 24,4 Prozent. Dabei gingen die Neuzulassungen von rein batterieelektrischen PKW um sieben Prozent zurück, die von Plug-In-Hybriden um 20 Prozent zurück. Seit Januar wurden insgesamt 195.400 Elektrofahrzeuge zugelassen – ein schmales Prozent Zuwachs. Dabei werden die Wartelisten für Autos immer länger. Gerade Elektroautos und Fahrzeuge mit einer aufwendigen Technikarchitektur und entsprechender Ausstattung haben mittlerweile Lieferzeiten von mehr als einem Jahr oder sind gar nicht mehr zu bestellen.
Zurückgegangen sind zuletzt auch die Auftragseingänge aus dem Inland. Hier gab es bei den Händlern und Onlineportalen ein Minus von ebenfalls 22 Prozent im Vergleich zum April 2021. Immerhin: die ersten vier Monate des Jahres 2022 liegen insgesamt betrachtet jedoch um zehn Prozent über dem Vergleichszeitraum des Jahres 2021. Der ausländische Auftragseingang entwickelte sich dabei ebenfalls rückläufig: Die deutschen Hersteller verbuchten im Monat April 24 Prozent weniger Aufträge als im April des Vorjahres. Seit Januar gingen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 14 Prozent weniger Aufträge von Kunden aus dem Ausland ein. Und es gibt kaum Anzeichen, dass sich das ändern würde.
Bleibt die Frage, ob und wie sich die anhaltenden Probleme bei Halbleitern und Kabelsträngen in der mittel- und langfristigen Betrachtung bemerkbar machen. Die Analysten von Dataforce erwarten im Jahre 2030 in Deutschland einen PKW-Bestand mit Stecker von elf Millionen Fahrzeugen. Für das von der Bundesregierung ausgerufene Ziel von 15 Millionen ist dabei nicht nur die Zahl der Neuzulassungen zu gering, es werden auch zu viele Fahrzeuge exportiert. In ihrem Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 hatte die Ampelregierung das Ziel ausgegeben, bis 2030 einen Bestand von 15 Millionen Steckerfahrzeugen, also Plug-in-Hybriden und Elektroautos, zu erreichen. Bereits damals hatten viele Analysten daran gezweifelt, dass sich dieses Ziel bis zum Ende des Jahrzehnts trotz Kaufanreizen und weltweiter Produktoffensiven erreichen ließe. Bis 2030 rechnet Dataforce aktuell mit 11,1 Millionen Elektroautos. Bezogen auf den Gesamtbestand wären damit rund 23 Prozent der deutschen Pkw elektrifiziert. Selbst wenn man die Neuzulassungen aller Jahre aufsummiert, läge man bis zum Jahrzehntewechsel noch unter den angepeilten 15 Millionen.
Eines der zumeist ungenannten Probleme ist, dass viele Elektroautos nach dem staatlich stark geförderten Kauf wieder allzu schnell abgemeldet und ins Ausland verkauft werden. Die Daten zeigen, dass Abmeldungen bei den Elektroautos deutlich höher sind als im Gesamtbestand. Dort waren Ende des Jahres 2021 von den im Jahr 2018 insgesamt zugelassenen 3.44 Millionen Pkw noch 3,11 Millionen im Bestand. Das heißt, 9,4 Prozent der Neuzulassungen wurden nach drei Jahren exportiert oder aus anderen Gründen außer Betrieb gesetzt. Wenn Neuwagen dank hoher Subventionen bis zu 10.000 Euro günstiger sind, können gerade jüngere Gebrauchtwagen in Deutschland nur mit deutlichen Rabatten verkauft werden. Gebrauchte Elektroautos werden daher oftmals exportiert, weil sie in anderen Ländern deutlich höhere Verkaufspreise erzielen. Die Haltedauer für ein entsprechend subventioniertes Elektroauto liegt in Deutschland gerade einmal bei sechs Monaten. Daher überlegt die Bundesregierung, diese Haltedauer auf 12 oder gar 18 Monate zu verlängern. Doch mit dem Ziel von 15 Millionen Elektroautos könnte es in den nächsten acht Jahren schwieriger denn je werden.
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