Die Konzentration auf die batteriebetriebene Elektromobilität wird zunehmend angezweifelt. Glaubt man verschiedenen Studien können die CO2-Ziele nur mithilfe von synthetischen Kraftstoffen erreicht werden.
Die Würfel sind gefallen. Gegen den Widerstand der mächtigen Vorstandsbosse der deutschen Autobauer wird es eine Kaufprämie für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor im Zuge der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie nicht geben. Damit wird vor allem VW die Geister, die der ins Wanken geratene Konzern-Boss Herbert Diess gerufen hatte, nicht los. Der drahtige Manager forciert schon seit Längerem die Elektromobilität und macht im Zusammenspiel mit der Digitalisierung bis 2024 rund 60 Milliarden Euro locker. Für den niedersächsischen Autobauer liegt die Zukunft des Autofahrens in der Elektromobilität, ohne Wenn und Aber. Widerspruch duldet Diess ohnehin wenig. Angeblich hat VW vor gut einem Jahr dem Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) mit einem Austritt gedroht, da dieser die Konzentration auf die batteriebetriebene Elektromobilität nicht vehement genug vertreten habe.
Mittlerweile zeichnet sich ab, dass dieser Batterie-oder-nichts-Kurs zum Boomerang werden könnte. China sieht in den Batterieautos nicht mehr die alleinige Zukunft der Mobilität und auch die Zweifel an der Energiebilanz der Akku-Stromer wollen nicht verstummen. Unlängst meldete sich das Kieler ifw-Institut zu Wort und hinterfragte die Klimavorteile der Elektroautos. Laut den ifw-Forschern würde bei einer vollständigen Umstellung auf Elektromobilität allein im deutschen PKW-Bereich der Strombedarf um fast 20 Prozent steigen. Das würde aber wiederum zu einer verstärkten Nutzung von fossilen Brennstoffen zur Stromerzeugung führen, da es klimaschonender sei, mit erneuerbaren Energien den Anteil fossiler Energieträger - insbesondere von Kohle - im Strommix zu reduzieren, als damit Elektroautos zu betanken.
Japan hat sich bei der Energiewende festgelegt Kommt jetzt die Brennstoffzelle?
Die Unternehmensberater von Stahl Automotive Consulting (SAC) kommen zu einem fast identischen Ergebnis: „Die Elektromobilität erhöht in Deutschland im Zeitraum 2020 bis 2030 die CO2-Emissionen netto um 40 Millionen Tonnen CO2“, heißt es in einem White Paper. Aus diesem Grund wäre die Investition zwischen 47 und 75 Milliarden Euro, die in Deutschland als gesamtgesellschaftliche Kosten für die Elektromobilität bis 2030 entstehen, fragwürdig, da kein positiver CO2-Effekt erreicht wird. „In Deutschland werden Elektrofahrzeuge nicht zur CO2-Einsparung beitragen“, stellt die SAC-Untersuchung nüchtern fest. Vor allem deshalb, weil erneuerbare Energien nur begrenzt verfügbar sind.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnten synthetische Kraftstoffe darstellen. Laut den SAC-Beratern können diese Kraftstoffe einen ökologisch und ökonomisch sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Allerdings müssen dafür einige Bedienungen erfüllt werden. Verwendet man die Kosten der Elektromobilität für die Subventionierung von synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbarer Produktion in sonnenreichen Ländern, ließen sich bis zum Jahr 2030 in Deutschland fast 600 Millionen Tonnen einsparen. Ab Beginn des nächsten Jahrzehnts könnten die synthetischen Kraftstoffe dann sogar die Kostenparität erreichen. Bei der Umstellung des gesamten deutschen Verkehrssektors auf diese Kraftstoffe wären pro Jahr Einsparungen von circa 180 Millionen Tonnen CO2 möglich. Der Vergleich der verschiedenen Antriebskonzepte – inklusive Wasserstoff- führt laut dem SAC-White Paper zu dem Ergebnis, dass „die E-Mobilität keine sinnvolle Lösung zur CO2-Reduktion darstellt“, dagegen synthetische Kraftstoffe das höchste Potential haben. Obwohl sie pro Kilometer geringfügig weniger Emissionen einsparen als Wasserstoff, fällt die Gesamtbilanz deutlich positiver aus, da sie im Vergleich zu Wasserstoff geringere Mehrkosten haben und aufgrund der vorhandenen Infrastruktur einfacher einzuführen sind.
In das gleiche Horn stößt eine Studie der britischen Berater von „Frontier Economics“, die bereits vor zwei Jahren erstellt wurde. „Synthetische Kraft- und Brennstoffe werden für eine CO2-neutrale Energieversorgung unverzichtbar sein“, heißt es dort. „Synthetische Kraft- und Brennstoffe werden integraler Bestandteil einer Energiewende in Richtung Treibhausgas-Neutralität sein, schon allein deshalb, da in verschiedenen Sektoren chemische Energieträger unverzichtbar sind und Energie in großen Mengen nur chemisch speicherbar ist.“ Allerdings sei auch klar, dass eine autarke Energieversorgung Deutschlands auch nach der erfolgreich durchgeführten Energiewende unrealistisch ist, schon allein aufgrund der begrenzten Standortverfügbarkeit für Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung.
Die „Frontier Economics“-Experten kommen zu dem Schluss, dass der Import von Energieträgern nach Deutschland zukünftig notwendig sein wird. Die SAC-Berater teilen diese Ansicht und stellen eine eindeutige Forderung an die Politik: „In der Konsequenz sollte die deutsche E-Mobilitätsstrategie überdacht und eine konsequente Förderung synthetischer Kraftstoffe im Rahmen einer Desertec 2.0 Initiative erwogen werden.“ Mehrere Unternehmen verfolgten vor zehn Jahren die Idee Solarstrom aus sonnenreichen Gegenden, wie der Sahara Wüste zu beziehen. Nach einem Streit zogen sich einige Firmen aus diesem Projekt zurück. Doch mittlerweile hat diese Idee wieder an Charme gewonnen. Auch deutsche Firmen zeigen jetzt wieder Interesse, den grünen Strom in der Wüste zu erzeugen. „Frontier Economics“ sieht im Forcieren dieser Pläne sogar einen Vorteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland: „Deutschland kann bei der Herstellung und dem Export von Anlagegütern eine Vorreiterrolle einnehmen. Dies wirkt sich positiv auf Wirtschaft und Beschäftigte in Deutschland aus.“
1 Kommentar
R129Fan
20. Juli 2020 18:07 (vor über 4 Jahren)
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