Weltspiegel: Die Auswirkungen des Verbrenner-Ausstiegs

Decarbonisierung: Man ist sich einig, uneinig zu sein

Weltspiegel: Die Auswirkungen des Verbrenner-Ausstiegs: Decarbonisierung: Man ist sich einig, uneinig zu sein
Erstellt am 6. Dezember 2021

Einigkeit schaut anders aus. Ein Teil der Autobauer und Nationen will spätestens 2040 dem Verbrenner den Garaus machen. Andere halten das für verfrüht. Laut den Analysten der Unternehmensberatung Berylls wird die zukünftige Antriebsform ohnehin nicht in Europa entschieden. Das Ansinnen der sechs Autobauer anlässlich des Klimagipfels in Glasgow ist aller Ehren wert. Mercedes, Ford, General Motors, Volvo, Jaguar/Land Rover und BYD wollen bis spätestens 2040 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr verkaufen. Dem haben 24 Staaten zugestimmt. Deutschland, China und die USA (Bundesländer wie Kalifornien schon) jedoch nicht. Für den amtierenden Verkehrsminister Andreas Scheuer ist das Verbrenner-Aus voreilig. "Wir wollen sie mit synthetischen Kraftstoffen klimaneutral machen und die Vorteile der Technologie erhalten“; erklärte der CSU-Politiker.

Noch drastischer formulierte es der BMW-Chef Oliver Zipse: "Hier wird viel zu kurz gedacht. Ich kann nur davor warnen, diesen Weg einzuschlagen.“ Nach Zipses Ansicht kann man sich erst dann von der traditionellen Antriebstechnologie verabschieden, wenn die Lade-Infrastruktur den Wechsel zum ausschließlichen Stromern erlaubt. Und hakt es aktuell noch gewaltig. Der BMW-Boss steht mit dieser Meinung nicht allein da. Der gesamte Stellantis-Konzern, zu dem Marken wie Opel, Peugeot und Citroën gehören, sagt genauso „No“ wie Honda, Hyundai-Kia und Renault-Nissan.

Bei einem gewaltsamen Ende der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor käme es vermutlich zu einem Bumerangeffekt. Denn viele Menschen würden dann ihre Autos einfach weiterfahren. Schon heute sind die Vehikel auf Deutschlands Straßen durchschnittlich zehn Jahre alt. Hinter diesem „Nein“ stecken auch knallharte wirtschaftliche Überlegungen. „Würden bereits heute die weltweit angekündigten Verkaufs- oder Zulassungsverbote für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gelten, wären 43 Millionen Einheiten oder 55,9 Prozent vom aktuellen globalen Absatzvolumen betroffen“, erklärt Andreas Radics, geschäftsführender Partner der Berylls Group.

Auch wenn sich die Waage in den nächsten Jahren zugunsten der Elektromobile neigen wird, ist klar, dass gerade strukturschwache Märkte noch eine ganze Weile auf die Verbrennungsmotoren angewiesen sind. Zum einen, weil in diesen Gebieten die Lade-Infrastruktur noch nicht genügend ausgebaut ist und zum anderen, weil sich die Menschen ein neues Elektromobil schlichtweg nicht leisten können. Wer also die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren vorschnell aus dem Programm wirft, verschließt sich Einnahmequellen. „Für die OEMs, bedeutet der verlängerte Zeitraum, dass sie noch für viele Jahre mehrgleisig fahren müssen. Einerseits brauchen sie ein überzeugendes Angebot an E-Autos, vor allem für die Megacitys. Andererseits dürfen sie aber auch die Weiterentwicklung der konventionellen Antriebe nicht aus dem Fokus verlieren, um ländliche und infrastrukturschwache Gebiete bedienen zu können“, stellt Andreas Radics fest und ergänzt: „Für die Anbieter teurer Premiummodelle mag dies zu verschmerzen sein, für Volumenhersteller bedeutet die Entscheidung kontra Verbrenner einen harten Einschnitt.“

Ein Weg aus diesem Dilemma könnten E-Fuels sein. Trotz der großen Anstrengungen, die zum Beispiel Porsche unternimmt, steht noch in den Sternen, ob die synthetischen Kraftstoffe in einer genügend großen Menge und vor allem wirtschaftlich sinnvoll herzustellen sind, um den Verbrennungsmotoren eine klimaneutrale Zukunft zu bescheren.

Auch wenn Europa eifrig die CO2-Emissionen reduzieren will, spielt die Antriebsmusik der Zukunft ohnehin China. „Am Ende sind die Fahrverbote vieler kleiner Staaten, zu denen auch Deutschland zählt, zwar positiv zu bewerten, für die globale Entwicklung aber nachrangig. Auch wenn immer mehr Nationen über solche Zulassungsverbote nachdenken oder sie vorziehen wollen, entscheidet sich in China, wie der Antriebsstrang der Zukunft aussehen wird“, sagt Andreas Radics. Die dortigen Strategen haben schnell erkannt, dass der wirtschaftliche Aufschwung mit einer Konzentration auf die Elektromobilität nicht zu stemmen ist. Schließlich wollen die chinesischen Hersteller auch außerhalb des eigenen Landes Autos verkaufen. Auch im Land hält man aus gutem Grund noch eine Weile am Verbrennungsmotor fest, um die stabilisierende Prosperität der Mittelklasse zu garantieren.

Dennoch: Bis zum Jahr 2035 müssen alle in größten Automarkt der Welt verkauften Neufahrzeuge mit „neuen Energien" betrieben werden. Das bedeutet, eine paritätische Aufteilung in Elektro-, Brennstoffzellen- oder Plug-in-Hybridfahrzeuge auf der einen Seite, sowie Hybridvehikel auf der anderen Seite. Schon daraus wird klar, dass der Verbrenner im Reich der Mitte noch für eine Weile aktiv sein wird. Zumal der Umstieg auf rein elektrische Mobilität erst für 2060 geplant ist. Also deutlich später als bisher angenommen.

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