Die Kollision zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton in der letzten Runde des GP von Österreich war nur der vorläufige Höhepunkt einer Spannung, die sich im Team über Wochen und Monate aufgebaut hat und nun zu eskalieren droht.
An dieser gespannten Stimmung ist die Teamführung nicht ganz unschuldig. Zu lange hat man den Piloten den Eindruck vermittelt, sie könnten sich alles erlauben, ohne ernsthafte Konsequenzen befürchten zu müssen. Dabei hätte man nach den wiederholten Kollisionen und Beinahe-Unfällen viel früher die Fronten klarstellen müssen. Teaminterne Unfälle sind einfach ein No-Go, so viel sollte den hochbezahlten Angestellten Hamilton und Rosberg schon klar sein. Aber die beiden sind so vertieft in ihre Dauer-Fehde, dass sie offensichtlich immun gegen Ratschläge von außen geworden sind. Bei der heutigen Krisensitzung im Team wurden daher einige Maßnahmen beschlossen. So wurde zwar weiterhin das freie Fahren gegeneinander gestattet, aber die Verhaltensregeln verstärkt. Zudem wurde den Piloten "drastische Abschreckungsmaßnahmen" im Falle einer Berührung angedroht. Als letztes Mittel werde man zu einer Stallregie greifen.
Wie bekommt man die Lage in den Griff?
Die angedrohten Konsequenzen in Form einer Stallregie kommen ein wenig zu spät. Erstens hat man zu lange den Spirit des "Freien Racings" gepredigt, um jetzt plötzlich umzuschwenken. Und selbst wenn man eine Stallregie ausgibt, ist es fraglich, ob Egomanen wie Hamilton sich im Ernstfall daran halten. Der nächste Zoff ist somit vorprogrammiert. Über die "drastischen Abschreckungsmaßnahmen" brauchen sich die beiden Fahrer kaum Sorgen machen. Eine Degradierung nach dem Muster Daniil Kvyat bei Red Bull brauchen Stars wie Rosberg und Hamilton nicht fürchten. Auch eine zeitweilige Suspendierung, wie einige Medien in den Raum warfen, scheint bei solchen Kalibern unvorstellbar. Viel eher interessant ist in diese Zusammenhang die Tatsache, dass Nico Rosberg noch immer keinen unterschriebenen Vertrag für die Saison 2017 in der Tasche hat. Offiziell ist man sich schon seit Wochen "grundsätzlich einig". Während man bislang allerdings davon ausging, dass Berater Gerhard Berger nur ein noch besseres Salär für seinen Schützling heraushandeln möchte, erscheint die Verzögerung nun in einem ganz anderen Licht. Zögert Nico Rosberg, weil er genug hat von seinem Teamkollegen und seinen Spielchen? Oder zögert das Team, weil es mit diesen zwei Piloten auf einem Pulverfass sitzt?
Was macht Rosberg?
Nico Rosberg hätte neutral betrachtet eigentlich genügend Gründe für einen Wechsel. Schließlich musste er sich in den letzten Jahren seinem übermächtige Teamkollegen geschlagen geben. Zudem werden seine eigentlich sehr guten Leistungen durch diese Querelen unter Wert beurteilt. Schließlich setzt sich Nico hier regelmäßig gegen den mutmaßlich besten Piloten der Gegenwart durch. Hamilton hat schon jeden Teamkollegen an sich abprallen lassen, selbst in seinem ersten Jahr einen gewissen Fernando Alonso, der damals auf der absoluten Höhe seines Könnens war und trotzdem das Team nach nur einem Jahr frustriert verließ. Nur Jenson Button hatte später ein paar gute Momente gegen Hamilton, aber zu dieser Zeit war dieser bereits durch die vielen Jahre bei McLaren etwas motivationslos. Das änderte sich durch den Teamwechsel zu Mercedes schlagartig. Ein Schritt, der jetzt vielleicht auch Nico Rosberg retten könnte?
Wehrlein steht bereit!
Einer allerdings reibt sich im Hintergrund die Hände: Pascal Wehrlein. Der trumpft bereits die ganze Saison mit Top-Leistungen im unterlegenen Manor-Mercedes auf, hat in Spielberg seinen ersten WM-Punkt erkämpft und sitzt regelmäßig zu Testfahrten im Werks-Renner. Zudem ergatterte er durch die Testfahrten für Pirelli mehr F1-Fahrkilometer als irgendein anderer Pilot und scheint somit perfekt vorbereitet, falls es im Hause Mercedes-AMG Petronas F1 Bedarf an einem Top-Piloten geben sollte. Diesen subtile Druck "von unten" haben die beiden Werks-Piloten sicherlich auch im Hinterkopf, was die Lage nicht wirklich einfacher macht.
Niki Lauda plaudert aus dem Nähkästchen!
Zudem wird das Team auch noch unnötigerweise an anderer Stelle durchgerüttelt. Aufsichtsratschef Niki Lauda, der vor dem Spielberg-Rennen in einer TV-Sendung gewohnt flapsig einige Dinge aus dem Nähkästchen ausplauderte, brachte damit viel Unruhe ins Team. Er behauptete, Lewis Hamilton hätte nach der Quali-Niederlage in Baku seinen Fahrerraum in der Mercedes-Hospitality zertrümmert und schilderte dies in allen Einzelheiten, da er perönlich anwesend gewesen war. "Lewis hat gesagt, ich darf hier nicht hineingehen, er zertrümmert jetzt alles." Zudem unterstellte er Hamilton, bei seiner Ausssage zu seinem wiederhergestellten guten Verhältnisse zu Rosberg glatt gelogen zu haben. "Lewis hat sich gedacht, was mache ich jetzt? Da gehen sie wieder alle auf mich los. Also schalte ich den Weichspüler ein."
Die Demontage der Legende Niki Lauda!
Nur ein paar Tage später demontiert das Mercedes-AMG Petronas F1-Team seinen eigenen Aufsichtsrats-Chef, indem es in Laudas Namen eine dürre Pressemitteilung herausgibt, in der alle Aussagen von Lauda zurückgenommen werden. Hier der genaue Wortlaut: "Nach einem Auftritt bei einer Diskussions-Sendung auf Servus TV, die vor dem Wochenende des Österreich GP aufgezeichnet wurde, möchte Niki Lauda gerne folgende Punkte klarstellen: Lewis Hamilton hat während des Rennwochenendes in Baku in keiner Weise ein Hotelzimmer oder seinen persönlichen Fahrer-Raum an der Strecke beschädigt und Lewis Hamilton hat nicht über das Verhältnis zu seinem Teamkollegen Nico Rosberg gelogen. Niki bedauert es sehr, wenn dadurch Missverständnisse entstanden sein sollten. Seine Aussagen wurden in einem lockeren Umfeld getätigt und verglichen damit stark aus dem Zusammenhang gerissen."
Wie reagiert Lauda?
Damit wird ganz offen die Glaubwürdigkeit von Niki Lauda in Frage gestellt. Wer die Sendung auf Servus TV gesehen hat, muss sich nun mit Recht fragen, was an Laudas Äußerungen falsch zu verstehen war. Sicher entsprachen seine Aussagen nicht ganz dem offiziellen Auftreten des Teams, aber Nikis Art und Weise ist seit Jahren bekannt, ebenso die Tatsache, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt und sehr offen redet. Damit sollte man sich im Team arangieren können. Ihm nun öffentlich derart über den Mund zu fahren und ihn indirekt der Lüge zu bezichtigen, wirft absolut kein gutes Licht auf die Situation im Team. Bleibt abzuwarten, wie Lauda auf diese öffentliche Demütigung reagiert. Vermutlich offen und ehrlich, hoffentlich!
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