Mehmet Gürcan Karakaş will mit seiner Firma Togg die europäische Automobilwelt aufmischen. Dabei sieht der ehemalige Bosch-Manager die Elektroautos des ersten türkischen Autobauers nicht als reine Fahrzeuge, sondern als smarte Devices in einer vernetzten Welt. Auf der CES feierte das Advanced Smart Mobility Ökosystems seine Premiere.
Natürlich hätte Togg mit seiner Bühnenpremiere auf die Internationale Automobilausstellung nach München gehen oder sich auf einem Großevent in der Heimat Istanbul der breiten Öffentlichkeit präsentieren können. Doch der erste türkische Autohersteller wollte mehr und gab es einen großen Aufschlag auf der Consumer Electronic Show in Las Vegas. Auch die anhaltende Pandemie hielt die Tech-Türken nicht von ihrem Vorhaben ab, sich und das selbst entwickelte „Advanced Smart Mobility Ökosystem” zu zeigen. Togg, was sich anhört wie das neueste Hightech-Accessoires aus dem Hause Apple oder Samsung, steht für ein neues Zeitalter. Seit Jahrzehnten werden in der Türkei PKW, Nutzfahrzeuge, Busse und Lastwagen gefertigt – doch eben nur von ausländischen Herstellern. Das wurmte nicht nur die bekannt autoaffine Bevölkerung, sondern auch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der seit Jahren alles daransetzt, die heimische Autoindustrie mit einer eigenen Marke zu krönen.
Hinter Togg steht ein mächtiges türkisches Konsortium aus den renommierten Unternehmen Anadolu Grubu Holding A.Ş., BMC Otomotiv Sanayi ve Ticaret A.Ş., Turkcell İletişim Hizmetleri A.Ş., Zorlu Holding A.Ş. und der Union der Kammern und Warenbörsen der Türkei. Die Partner sind mit jeweils 19 Prozent an der Gesellschaft beteiligt; die restlichen fünf Prozent verbleiben bei Togg selbst. Ihnen steht seit der offiziellen Gründung im Jahre 2018 Mehmet Gürcan Karakaş vor, der seit Jahrzehnten tief mit der internationalen Autoindustrie verwoben ist. Bevor er zu Togg wechselte, war Karakaş für die Elektroantriebe des Massenzulieferers Bosch verantwortlich.
Während Togg auf der CES 2022 in Las Vegas eine elektrische Schräghecklimousine enthüllte, wird das erste Fahrzeuge des neuen Autobauers Anfang 2023 ein Crossover sein, der zunächst auf den heimischen Markt rollen soll. „Ende 2022 werden wir unser erstes Serienfahrzeug lancieren. Nach Abschluss der Homologationstests wird unser erstes Fahrzeug im C-Segment, der SUV, im ersten Quartal 2023 auf den Markt kommen“, sagt Mehmet Gürcan Karakaş, „es wird es das erste rein elektrische SUV sein, das von einem nicht traditionellen Hersteller auf dem europäischen Kontinent produziert wird. Danach werden auf gleicher Plattform eine Limousine und ein Fließheckmodell im C-Segment in die Produktion gehen. Mit den dann folgenden B-SUV und C-MPV Modellen wird unsere Produktpalette aus fünf Modellen bestehen, mit der gleichen DNA und der gleichen Plattform.“ Zum Start gibt es zwei Batteriegrößen für 300 und 500 Kilometer sowie wahlweise 200 oder 400 PS Leistung. Das Aussehen der Fahrzeuge stammt von Pininfarina unter Mithilfe des ehemaligen Volkswagen-Designers Murat Günak.
Seit Mitte 2020 laufen in der Nähe von Gemlik im Nordwesten des Landes die Bauarbeiten an der neuen Fabrik, in der ab Ende dieses Jahres die ersten Togg-Modelle vom Band fahren sollen. In einem ersten Ausbauschritt hat die Fertigung eine Jahreskapazität von 175.000 Fahrzeugen. Bis 2030 will Togg insgesamt eine Million Fahrzeuge in fünf verschiedenen Segmenten produzieren; doch bereits der Start wird schwerer denn je, denn die Türkei hat mit Elektroautos bisher nichts am Hut und insbesondere die deutschen Premiumhersteller haben am Bosporus einen Ruf wie Donnerhall. Das will Togg mit solider Technik und einem großen Lokalpatriotismus aufweichen. Was in der Türkei selbst noch klappen könnte, dürfte in Europa gerade gegen die etablierte Konkurrenz und die Importmarken aus Korea, China und Japan eine wahre Herkulesaufgabe werden. Auf klassische Autohändler will Togg wie nahezu alle neuen Automarken verzichten. Der Vertrieb erfolgt über das Internet, während Markenstores für Image und Bekanntheit sorgen sollen. Auf lange Sicht will Togg sein Geld in einem kompletten Ökosystem verdienen und hat dafür bereits eine Vielzahl von Kooperationspartnern ins Boot geholt. So wird das Auto mit Blick auf die 2030er Jahre als Mittel zum Zweck – wenn das Projekt klappt.
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