Der vermutlich schnellste straßenzugelassene Mercedes könnte es sein, wenn wir die Rundenzeiten auf dem Hockenheimring und Sachsenring berücksichtigen. Fakt ist, auf dem Tuner GP 2011 und im Folgejahr 2012 gewann Mario Hirsch mit seinem abgespeckten C63 in der Klasse 3 Limousine mit Sauger-Motoren. Sicherlich lässt sich jetzt einwenden, es gibt weitaus leistungsstärkere Mercedes Modelle, wie z.B. die Black Series oder andere Tuner-Kreationen. Das soll ja auch gar nicht abgestritten werden, aber hier geht es weniger allein um Top Speed Leistungen (welche im Übrigen beim Hirsch-Mercedes auf 315 km/h elektronisch begrenzt wurde), sondern um verdammt schnelle Rundenzeiten und Standhaftigkeit. Das heißt, totaler Diäten-Wahnsinn, garniert mit einem Leistungs-Plus, einer bissigen sowie ausdauernden Bremsanlage und stabiler Seitenlage in jeder Kurve.
Der heute 38-jährige Junior-Chef aus dem bayrischen Mercedes-Benz Autohaus leistete sich im Sommer 2008 einen AMG C63 als Jahreswagen. Ziel war es, im Rahmen der Straßenzulassung eine Limousine zu präsentieren, welche Race Feeling und verdammt schnelle Zeiten ermöglicht. Und wie steht's um den Komfort? Sagen wir mal, es sollte ein Hauch von Rest bleiben! Also ran ans Werk!
Der erste Schritt bestand worin? Richtig! Hosen runter! Der W204 wurde gestrippt, bis auf´s nackte Blech. Einige Karosserieteile, darunter die Türen, wurden aus einem leichteren Kunststoff GFK angefertigt. Kofferraumdeckel und Motorhaube sogar aus Carbon, das bringt ordentlich Gewichtsersparnis. Letzteres erhielt zudem jede Menge Luftauslässe, denn das Projekt sollte nicht Thermikproblemen scheitern, wenn Mario mit seinem C63 unter Volllast Bestzeiten entgegenrast.
Gestripptes Interieur: Runter mit den Pfunden!
Ferner wurde im Innenraum auf Ettliches verzichtet, keine Spur von Luxus und Leder, hier gab es eine knallharte Ansage: Wir machen dich nackig! Rundum bietet ein Überrollkäfig aus Chrom-Molybdänstahl (Flugzeugindustrie) ausreichend Sicherheit, dieser wurde samt Querstreben, Kreuz und hinterer Domstrebe mit der Karosse verschweißt. Dämm-Materialien wie Himmel oder Teppich waren ebenso fehl am Platz, wie Verkleidungen der Mittelkonsole oder Türen.
Statt Griffe kamen stabile Schlaufen zum Schließen der Türen an Bord, statt Fensterheber nur einfache Kurbeln, aber auf Klimaanlage und Navigation mochte Mario dennoch nicht verzichten, denn wenn es mal heißt, "Wir fahren auf eigener Achse zum Gardasee und weiter auf eine italienische Rennstrecke zu Testfahrten!", sollte man einen kühlen Kopf bewahren. Zwei Recaro Schalensitzen bieten verknüpft mit 4-Punkt H-Gurten ausreichend Halt. Endergebnis des Striptease: statt 1.800kg wie im Serien-AMG zeigt die Nadel beim Hirsch C63 nur schlanke 1.530kg auf der Waage an - trotz Überrollkäfig dennoch um 270kg leichter. Auch bei der Auspuffanlage konnte Mario Hirsch viel Gewicht einsparen, diese besteht nicht wie üblich aus Edelstahl, sondern aus dem 20kg leichteren und zudem stabileren Metall Titan.
Der Mercedes C63 AMG kommt mit 530 PS mit 650 Nm
Dem 6.208 ccm großen Sauger-V8 werden per Eingriff in die Elektronik zusätzliche Pferdestärken eingespeist, 530 PS mit 650 Nm bei 3.900 U/min sind ausreichend genug, wenn dementsprechend Fahrverhalten und Verzögerungswerte angepasst sind. Die Höchstgeschwindigkeit wurde auf 315km/h elektronisch begrenzt. Mario ging es in diesem Projekt nicht darum, die 400km/h Marke zu knacken, vielmehr einen soliden, standfesten Rennwagen mit aktiver Straßenzulassung zu schaffen und dieses ist ihm mit Bravour gelungen. "Das Handling gleicht einem ehemaligen DTM-Mercedes", ist der Mercedes-Fan überzeugt. Und er könnte recht haben, denn....
Der C63 rollt auf 18 Zoll Motec Felgen, besohlt mit Michelin Pilot
Bei den Mercedes Race-Days 2012 im Motopark Oschersleben musste sich Mario Hirsch mit nur einem Bruchteil von Sekunden dem 93er Evo 2 Klasse 1 Wagen von Jobst Heuer geschlagen geben und das wohl bemerkt mit Straßenzulassung. Selbstverständlich ist dabei das Kurvenverhalten wichtig und wie spät der Bremspunkt gewählt werden kann, ohne dass nach der 3. Runde die Bremsscheiben kirschrot glühen und die Beläge bereits herunter radiert sind. Das KW Competition Gewindefahrwerk ist in Zug-, Druck- und Höhen verstellbar, der Sturz an der Vorderachse beträgt satte 2,5 Grad. Ferner kamen vorn Brembo-Bremsscheiben zum Einsatz, diese messen 380mm. Auf der hinteren Antriebsachse verweilen die AMG Bremsen aus der Serie.
Viele Tuner schwören aus optischen Gründen meist auf 19 oder 20 Zoll Räder, wenn nicht sogar noch größere bis 22 Zoll. Renntechnisch gesehen aber eher kontraproduktiv, da diese oft schwerer sind und zudem einen größeren Abrollumfang besitzen, was wiederrum Einbußen in den Fahrleistungen bewirkt. Am C63 von Mario Hirsch docken rundum 18 Zoll Motec Felgen an, besohlt mit Michelin Pilot Sport Cup Reifen in der Größe 265/35R18, sogenannten Semi-Slicks.
Das Ziel, einen straßenzugelassenen Mercedes auf der Rennstrecke konkurrenzfähig zu machen, ist bestens gelungen. Anbei sei auch erwähnt, dass sämtliche Teile aus GFK oder Carbon, Stahl-Käfig oder Bremsanlage über das Autohaus Hirsch zu beziehen sind...
Text & Fotos: Patrick Meinhold
Mercedes-Fans Facts
2007 Mercedes C63 AMG (W204)
Motor: 6.208 ccm mit 457 PS (Serie), leistungsgesteigert mit neuer Software auf 530 PS mit 655Nm bei 3.900 U/min, Höchstgeschwindigkeit bei 315km/h elektr. abgeregelt, 2x 100er Zeller Metall Kats, ab Kat Auspuffanlage aus Titan (20kg leichter)
Getriebe: 7-Gang Automatik mit Schaltwippen
Fahrwerk: KW Competition Gewinde, VA mit 2,5 Grad Sturz
Bremsen: VA: Brembo Racing 380mm geschlitzt, HA: Serie AMG
Räder: Motec VA: 9x18, HA: 10x18 rundum mit Michelin Pilot Sport Cup in 265/35R18 (Semi-Slicks)
Extras: Carbonteile: Motorhaube mit Luftauslässe, Heckklappe, Türen aus GFK, zusätzliches Bremsbelüftungssystem anstelle der Nebellampen, optimierte Front mit zusätzlichen Lufteinlass, von 1.800kg auf 1.530kg abgespeckt, aktive Straßenzulassung
Interieur Racing-Look mit 2 Recaro-Sitzen, 4-Punkt H-Gurte, verschweißter Chrom-Molybdänstahl Überrollkäfig, hintere Domstrebe, Laptime Zusatz-Instrumente für Rundenzeiten, Türverkleidungen aus Carbon mit Schlaufen zum Schließen, Fensterkurbeln statt elektr. FH, Navigation und Klima weiterhin an Bord
Beschleunigung (0-100km/h): 4,4 Sek.
Viertelmeile: 12,4 sek.
1 Kommentar
Dome
20. August 2013 16:46 (vor über 11 Jahren)
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